Leseprobe

aus „Idee und Wirklichkeit einer Freien Hochschule“, Gideon Spicker Verlag

„Eine wahrhaft hochschulmäßige Bildung auf dem Gebiete der Naturwissenschaft muss den Zusammenhang aller Naturerscheinungen und der ganzen natürlichen Entwicklung mit der Entstehung und Wesensart einer menschlichen Organisation aufzeigen unter dem leitenden Gesichtspunkt, dass diese dadurch ihren Sinn empfängt, dass sie die physiologische Grundlage der menschlichen Freiheit ist.“

„Die Idee des Leibesmenschen ist der über die ganze Natur ausgebreitete Sinn, durch den wir der ganzen Natur so angehören, dass sie die Peripherie unserer Leiblichkeit und diese ihr Zentrum darstellt.“

„…Der Mensch ist im Ganzen Umfang seines Wesens nicht ein Geschöpf des Eindrucks, sondern ein Schöpfer des Ausdrucks. Alle Wissenschaften vom Menschen müssen daher ästhetische Wissenschaften sein. Beginnt doch die Menschheit überall erst dort, wo die finstere Hässlichkeit des Zwanges der lichten Schönheit der Freiheit weicht.“

aus „Die Tugenden“, Gideon Spicker Verlag

Zum Geleit

I.

Nach erquickendem Schlaf empfinden wir dreifache Labung: unser Auge ist von Licht erfrischt und durchklärt, unser Herz von Wärme geläutert und befriedet, unser Schritt von Schöpfungsfülle gestärkt und ermutigt.

II.

Gehen wir, ehe wir noch mit unseren Lippen die Frühe gekränkt haben, in den Garten. Wir neigen uns schweigend über eine erblühte Rose. Was uns die Blütenblätter durch Form, Farbe und Frommheitduft offenbaren, ist wahr, schön und gut. Denn die Rose folgt ohne Abirren den Weltgesetzen, sie erhebt das Wesensbild der Pflanze zu jubelnder Offenbarung, und sie begehrt nichts für sich, sondern ist nicht fragendes Beglücken.

Solches Ebenmaß beschämt uns und erhebt uns zugleich. Denn es lässt uns erkennen, dass zwar der natürliche Teil unseres Wesens sich vor dem Adel der Unschuld in Verehrung beugen muss, dass aber alles was wir durch bewusste Kultur an uns selbst vollbringen, das Weben der Einfalt, sei es auch noch so hold, übertrifft. Können wir doch zu dem Geschenk, dass die Sinne empfangen, die dreifache Menschengabe des Sittlichen hinzufügen. Spornen wir also unsere Seelenkräfte zu dem freien, ebenbürtigen und brüderlichen Wettstreit mit der Rose an.

Aus „Die Voraussetzungslosigkeit der Anthroposophie“.

„Das Denken erweist sich als ein völlig durch sich selbst Bestimmtes. Könnten wir die Bestimmungen nicht in ihm selbst finden, wären wir außerstande, ihm Bestimmungsgründe für die bestimmungslose Welt der reinen Wahrnehmung zu entnehmen. … Auf Grund dieser uneingeschränkten Selbstbestimmung trägt und schöpft das Denken sich selbst. Als ein solches Selbsterschöpferisches ist es im umfassendsten Sinne «Ich», ein Wesen, das aus sich, nicht durch anderes bestimmt wird.“

Das Zitat bezieht sich auf den Satz Rudolf Steiners aus „Die Philosophie der Freiheit“: „Das «Ich» ist innerhalb des Denkens zu finden.“